Das Bild ist in Querúas entstanden und zeigt einen Moment der Unbeschwertheit. Er reiht sich in jene Momente ein, bei dem die Zeit stillzustehen scheint, weil es nichts weiter zu tun gibt.
Allerdings war das nicht immer so. Die ersten Tage meiner Reise forderten mich streng gesagt heraus. Die Stille im Außen sorgte für Dynamik im Inneren. Bekannte Themen suchten mich auf. In Gedanken versunken, ertappte ich mich, wie ich mir selbst das Laufen erschwerte. Angesichts der Höhenmeter und dem Gewicht meines Rucksacks bevorzugten meine Füße ganz von selbst den umständlichsten Weg der ersten Etappen. Erinnerungen, eingebettet in einem bunten Potpourri an Gefühlen, zeigten sich energisch. Sie pochten darauf angeschaut zu werden. Mit meinen neuen Wegbegleitern der Wut, Reue, Verzweiflung, Traurigkeit, Bedauern, Enttäuschung, Stolz, Entschlossenheit, Zuversicht, Vertrauen und Dankbarkeit lies ich Kilometer für Kilometer hinter mir. Irgendwann gelang es mir dann nach und nach die Achterbahn meines Verstandes zu verlassen.
Die erste Aufregung setzte sich und ich begann mich im Einklang mit der Natur zu entdecken. Ich fing an zu beobachten, was gerade ist, ohne es zu bewerten, ohne Stellung zu beziehen, ohne dem Ganzen einen Namen zu geben. Daraus entstand etwas Wunderbares, so dass die letzten Kilometer dann sehr befreit und unbeschwert verliefen. Je mehr ich mich der Kathedrale von Santiago näherte, umso mehr hab ich das hier und jetzt genossen. Im Regen getanzt, der Sonne entgegen gelächelt. Mich im Wind gewogen und alles um mich herum wirken lassen.
Tränen der Dankbarkeit besuchten mich.
Das Ankommen in Santiago war aufgrund des Dauerregens ein zähes Stück Arbeit. Trotz Wetterlage nutze ich die letzten Stunden der Stille um bewusst anzukommen. Was mich wohl danach erwarten wird? Und schneller als mir lieb war, erreichte mich die Antwort. Ein neuer, wunderschöner Prozess des Loslassens. Ich schmunzelte. War es das doch, was mich immer wieder auf meiner Reise begleitet hat. Loslassen. Frei lassen. Mich frei fühlen. Neue Wege laufen.
Als ich dann vor der Kathedrale stand, brauchte ich einen Moment um zu begreifen. Schließlich nahm ich meinen Rucksack ab und lies den Augenblick des Daseins auf mich wirken. Ich war da. Ich hatte es geschafft. Mich überraschten Gefühle des Stolzes, der Freude und Dankbarkeit. Dankbar für meine Füße, die mich mehr als 560 Kilometer getragen haben. Dankbar für jeden einzelnen Schritt, jede Begegnung, jede Blase. Dankbar für die inspirierenden Begegnungen, anregenden Gespräche, wunderbaren Momente, herausfordernden Etappen, körperlichen und emotionalen Hürden und bedeutsamen Erkenntnisse, die für mich und mein Leben nachhaltig prägend sind.